Zu den wichtigsten Merkmalen der Serie "Gilmore Girls" gehören neben Humor, Romantik und Kaffee auch die vielen mal leichter, mal schwerer zu verstehenden Anspielungen. Zwischen Anspielungen auf Filme, Fernsehen, Musik und Literatur finden sich auch solche auf verschiedene Länder, unter anderem auf Deutschland. In dieser Kolumne sollen einige der deutschen Anspielungen kritisch und ironisch unter die Lupe genommen werden.
60 Jahre später…
Man muss nicht Geschichte studieren um zu wissen, was in Deutschland vor etwas mehr als 60 Jahren geschehen ist. Auch die Amerikaner haben den Nationalsozialismus nicht vergessen, es stellt sich nur manchmal die Frage, ob sie auch wissen, dass der Nationalsozialismus in Deutschland mittlerweile verboten ist.
Als Emily in der Episode 1.05 "Katzenjammer" während des Freitagabendessens erwähnt, dass Richard geschäftlich in Deutschland ist, reagiert Lorelai sogleich mit der Frage, ob Richard nun auch Nazis versichert. Natürlich war das nur ein Scherz des wie immer schlagfertigen Gilmore Girls, doch irgendwie hat es schon einen bitteren Beigeschmack, dass Lorelai bei dem Stichwort ‚Deutschland’ als erstes an Nazis denkt.
Schon in der Episode 1.02 "Ein klassischer Fehlstart" erfahren wir, dass Rory Mitglied in einem Deutschkurs war, bis die anderen drei Teilnehmer den Film "Schindlers Liste" gesehen haben und danach in den Französischkurs gewechselt sind. Der Film "Schindlers Liste" handelt von den Naziverbrechen und zeigt einige sehr schockierende Bilder. Die Vorstellung, dass die Amerikaner bei dem Stichwort ‚Deutschland’ als erstes an die grausamen Szenen aus "Schindlers Liste" denken, hat durchaus etwas beängstigendes.
Nun stellt sich die Frage, wie in der deutschen Synchronisation mit diesen Nazi-Anspielungen umgegangen wird. In der Folge 1.21 "Alte Liebe, neues Glück" bezeichnet Michel den überkorrekten Kirk, der genau 1000 gelbe Margeriten ins Hotel gebracht hat und danach verkündet, dass er Befehle nur ausführt, sie aber nicht in Frage stellt, als "Adolf Eichmann". Der Deutsche Adolf Eichmann leitete im Nationalsozialismus auf Hitlers Befehl hin die Ermordung von 6 Millionen Juden. In der deutschen Übersetzung nennt Michel den fleißigen Kirk dagegen nur einen "übereifrigen Speichellecker". Offenbar war den Übersetzern die Anspielung auf Adolf Eichmann zu gewagt und dies ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt, welche Befehle Kirk in dieser Episode ausführt (Lieferung von Blumen) und welche Befehle Eichmann damals ausgeführt hat (Ermordung von Menschen). Letztlich muss jedoch jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden, ob er solche Anspielungen knapp 60 Jahre später humorvoll findet, oder nicht.
Die depressiven Deutschen oder Ein Hoch auf die Klischees
Über jedes Land der Erde kursieren in den anderen Ländern bestimmte Klischees, die in Filmen, Fernsehserien und Büchern immer wieder zum Einsatz kommen. So stellt man sich die Franzosen zumeist mit krempenlosen Mütze aus roter Wolle auf dem Kopf und mit einem Baguette unter dem Arm vor, die Italiener gelten als besonders heißblütige Liebhaber, die Niederlande verbindet man mit Käse und Haschisch und die Osteuropäer, besonders die Polen, werden häufig als (Auto-)Diebe dargestellt.
Auch über Deutschland gibt es viele Klischees und einige davon werden in der Serie "Gilmore Girls" aus der Schublade geholt. Besonders gerne wird uns Deutschen ja ein ausgeprägter Hang zur Depressivität und zum Pessimismus nachgesagt. In der Folge 5.14 "Wahltag" behauptet Paris während des Frühstücks in der Yale Cafeteria, dass die deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche und Alfred Lichtenstein morgens immer Grapefruit auf ihre Cornflakes getan hätten, woraufhin Rory entgegnet, dass ein solches Frühstück also klug, deutsch und depressiv macht. Bei einer Probe der Band Hep Alien in der Episode 5.12 "Süsse Stunden" beginnt Zach plötzlich auf Deutsch zu zählen, was bei Gil nicht gerade auf Begeisterung stößt. Er bittet Zach, dies zu lassen, da ihn die deutschen Zahlen depressiv machen würden. In der deutschen Synchronisation geht dieser Gag verständlicherweise verloren, da die Charaktere für uns ja ohnehin immer Deutsch sprechen und es somit keinen Sinn macht, wenn Gil sagen würde, dass Zach nicht auf Deutsch zählen soll. Daher zählt Zach in der deutschen Übersetzung auf Französisch. Letztlich bleibt die Frage, ob wir Deutschen tatsächlich ein Volk von depressiven Pessimisten sind!? Gegenfrage: haben wir bei über 4 Millionen Arbeitslosen, drohenden Studiengebühren und einem Fernsehprogramm, das zu 90% aus Telenovelas, Dokusoaps und Castingshows besteht, einen Grund, depressiv zu sein???
Natürlich ist die Vorstellung vom typisch deutschen Pessimismus nicht das einzige Klischee über Good Old Germany, das bei den "Gilmore Girls" auf den Tisch kommt. So bezeichnet Lorelai Deutschland in der Episode 2.03 "Kalte Füße" als "das Land der Lederhosen und Kuckucksuhren". Damit beschreibt Lorelai ganz Deutschland so, wie der Rest von Deutschland das Bundesland Bayern beschreiben würde. Witzigerweise spricht Lorelai im Original nur von "Lederhosen", die "Kuckucksuhren " wurden in der deutschen Synchronisation hinzugefügt, was beweist, dass die deutschen Übersetzer die gängigen Klischees über Deutschland kennen, was nicht zuletzt daran liegt, dass dies zum Teil die Klischees sind, die in Nord-, West-, und Ostdeutschland über die Bayern verbreitet sind. Ich als gebürtige Niedersachsin habe in meinem ganzen Leben noch nie eine Lederhose getragen und ziehe meinen Digitalwecker einer Kuckucksuhr vor.
Immer wieder gerne gedroschen wird auch das Klischee von der deutschen Pünktlichkeit. In der englischen Originalfassung der Episode 1.07 "Ein Kuss mit Folgen" bezeichnet Lorelai ihre Tochter Rory wegen deren Hang zur Pünktlichkeit als "Miss German train". Die Deutsche Bahn repräsentiert für die Amerikaner also die typische deutsche Pünktlichkeit! Mir als von der Bahn abhängige Pendlerin huscht beim Schreiben dieser Zeilen ein sarkastisches Lächeln über die Lippen. Nein, ich werde jetzt nicht die Geschichte erzählen, wie ich vor einigen Monaten fast meine mündliche Zwischenprüfung versäumt hätte, weil die Deutsche Bahn mal eben drei Stunden (!) Verspätung hatte, aber ich verwette meine Lederhosen,… äh… mein letztes Hemd darauf, dass Jenji Kohan, der Autor dieser GG-Folge, noch nie mit der Deutschen Bahn gefahren ist.
Neben Lederhosen und Kuckucksuhren darf natürlich auch die Knackwurst nicht fehlen und so stellt Lorelai in der Folge 4.11 "Der Glöckner von Stars Hollow" fest, dass ihr eine Lampe aus einem Prospekt zu Deutsch aussieht, weil diese die Form einer Knackwurst hat.
Auf Ablehnung stößt in der Episode 2.20 "Eine Frau für alle Fälle" auch eine Kaffeemaschine, die Lorelai entschieden zu deutsch ist. Den bisherigen Ausführungen entsprechend heißt dies, dass es sich bei diesem Gerät um eine depressive Kaffeemaschine aus Leder, geformt wie eine Knackwurst, handeln muss, die viel zu pünktlich mit dem Kochen fertig wird. Interessanterweise bezeichnet Lorelai die Kaffeemaschine in der deutschen Synchronisation nicht als "deutsch", sondern als "japanisch". Ob da wohl die deutsche Kaffeemaschinen-Industrie ihre Finger im Spiel hatte?
Music made in Germany
Wenn man eine Umfrage starten würde, welches deutsche Produkt in den USA wohl am beliebtesten ist, wären sicherlich "Autos" und "Bier" die Top-Antworten, doch bei den Gilmore Girls bevorzugt man…deutsche Musik! Kaum zu glauben, aber wahr!
So outet sich Musikfreak Lane in der Episode 1.12 "Doppelt hält besser" als Fan der deutschen Sängerin Nico, die mit richtigem Namen Christa Päffgen hieß, und 1988 verstorben ist. Fast überflüssig zu erwähnen, dass sich Nico durch depressive und traurige Musik auszeichnete.
In der Episode 2.06 "Emily in Nöten" hören Lorelai und Christopher in Christophers Auto den Song "Du hast" von der deutschen Band Rammstein.
Als die junge Lorelai im Krankenhaus darauf wartet, ihr Kind auf die Welt zu bringen (Ep. 3.13 "Babyalarm!"), hört sie Nenas Song "99 Luftballons". Der Song war seiner Zeit nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA ein Superhit.
Liesl und die Gilmore Girls
Mit Michel ist in der Serie "Gilmore Girls" ein Franzose und mit Lane eine Koreanerin vertreten, doch es gibt auch einen deutschen Charakter. Gemeint ist das Hausmädchen Liesl, das jedoch eher negativ und vor allem widersprüchlich dargestellt wird.
Zu sehen bekommen wir Liesl in der Folge 2.06 "Emily in Nöten", als sie Lorelai und Rory die Tür öffnet. Liesl erscheint in dieser Episode als schlanke und blonde junge Frau, die ziemlich nervös ist, weil sich Emily und Richard lauthals streiten. Am nächsten Tag erzählt Emily ihren Freundinnen, dass die eingeschüchterte Liesl freiwillig gekündigt hat.
In der Episode 3.16 "Aus der Traum" behauptet Richard dann, dass Liesl, das deutsche Hausmädchen, männlicher als er gewesen sei. Die Liesl, die wir gesehen haben, hatte jedoch absolut nichts männliches, sondern war von ihrer Figur her mit Lorelai vergleichbar. Nun ja, möglicherweise hatten Emily und Richard zwei verschiedene deutsche Hausmädchen mit dem Namen Liesl, da dies ja schließlich ein typisch deutscher Name ist – oder etwa nicht? Kennt nicht jeder irgendeine Liesl? Sind wir nicht alle ein bisschen Liesl?
Ein anderes deutsches Hausmädchen, das zwar nicht persönlich auftritt, aber erwähnt wird, ist Gerta aus Hamburg (wieder so ein typisch deutscher Name *haha*), die ebenfalls nicht besonders gut wegkommt. Emily beschreibt Gerta als eine schwerfällige Person, die einen viel zu lauten Gang hat und daher entlassen wurde (Ep. 3.11 "Wahrheit oder Pflicht"). Moment..., könnte vielleicht Gerta das maskuline Hausmädchen sein, von dem Richard spricht? Zwei deutsche Hausmädchen mit so typisch deutschen Namen kann man schnell mal verwechseln. So, jetzt wo dieses Rätsel (möglicherweise) gelöst ist, können wir deutschen Zuschauer doch alle ein bisschen besser schlafen.
Fazit
Bei aller (angebrachten) Kritik und Ironie in dieser kleinen Kolumne, muss man sich als deutscher Zuschauer sicher nicht auf den Schlips getreten fühlen, denn die Gilmore Girls sind für ihre kleinen Spitzen berühmt und die gehen ganz sicher nicht nur gegen Deutschland, sondern auch gegen andere Länder wie Frankreich und die USA selbst. Der fade Beigeschmack bei Anspielungen auf den Nationalsozialismus aber bleibt, zumindest bei mir.
Quelle:myfanbase