Die biblische Geschichte von Joseph und seinen Brüdern (Altes Testament 1. Mose; 37,39-41,50) wurde von Andrew Lloyd Webber zunächst als 20 minütige Chorversion 1968 für die Bühne adaptiert. Seitdem wurde die biblische Kantate mehrmals erweitert, umgeschrieben und verlängert.
Die jetzige 90 min Fassung, die auch 1991 mit Jason Donovan in der Titelrolle im Londoner West End zu sehen war, ist eine schrill-bunte Hippie-Version, die einfach nur gut unterhalten will und die biblische Vorlage mit einem Augenzwinkern alles andere als historisch korrekt wiedergibt.
Vor einem gut 40 köpfigen Kinderchor berichtet die Erzählerin von der alten Geschichte aus Kanaan, die in einem riesigen Bilderrahmen zum Leben erweckt und aus der Sicht der Kinderaugen auf die Bühne gebracht wird: So kommt es, daß der nervende, weil egozentrische, Strahlemann Joseph von seinen Mafioso-Brüdern an den stinkreichen Potiphar, der in Pyramiden macht, verkauft wird. Dessen erotische Frau verführt in einer humorvoll choreographierten Szene schamlos unseren Helden und als das Schäferstündchen der beiden auffliegt, ist es mit der weiteren Karriere im Potiphars Haushalt Essig und es droht lebenslanger Knast (mit dem einzigen wirklich ergreifendem Song der Show “Schließt jede Tür”). Doch durch erfolgreiches Traumdeuten kommt unser Joseph ganz groß raus, berät er doch “King” Pharao wirtschaftsökonomisch über 7 Jahre Hungersnot. Aber Josephs Triumph sind die sich einschleimenden Ex-Brüder, die im “Wer hat den Kelch geklaut”-Test dann doch noch zufriedenstellend abschneiden.
Nette Kinderchöre, die das Herz jeder Oma höherschlagen läßt, bunte Hippie-Kostüme mit rockendem Elvis-Pharao, der jede Mama in ihre Sturm-und-Drang-Zeit versetzt, und dem discomäßigen Joseph-Megamix, der die Show dann doch auf mehr als kurzweilige 75 min verlängert und die Kids so richtig abzockeln läßt, sind die Kennzeichen des lauten Spektakels. Verstockte Bibelkreise werden sich bei beturnschuhtem Potiphar und den Cheerleadern des Pharaoh die Haare raufen oder zumindest verständnislos wie die überdimensionale Sphinx mit den Augen rollen. Hier zählt einfach der Spaß an der Freude und den hat “Joseph” im Essener Colusseum wirklich zu bieten (den Ernst des Lebens sollte man spätestens hinter sich lassen, wenn man im Foyer des Theaters einen Stoff-Blumenkranz um den Hals gelegt bekommt).
Musicalisch geht es genauso kunterbunt durcheinander, wie auf der Bühne: von Country, Kinderchor, Ballade über Harry-Belafonte-Calypso und Elvis-Persiflage bis Laserstrahlen-Discogetöse ist aus allen Musikrichtungen etwas vertreten. Und vielleicht liegt gerade hier der Schwachpunkt der Show, denn so mancher Zuschauer wird mit dem Tohuwabohu auf der Bühne seine Schwierigkeiten haben.